Am 24.12.2022 teilte ich bereits diese wunderschönen Zeilen.
Zu dieser Zeit war es wieder erlaubt mehrere Teller an Weihnachten zu decken.
"Dankeschön", habe ich damals gedacht, "das ist aber nett."
Freunde wurden eingeladen. Zu Weihnachten macht man sowas. Geschenke sollten keine Rolle spielen, sondern das Zusammensein und die Besinnung.
Jeremy Benthams Vorstellungen davon, was Glück ausmacht, wurden während des Industriezeitalters kaum infrage gestellt.
"Wie gut, dass wir heute in Deindustrialisierung leben.", denke ich weiter.
Als Vordenker des Utilitarismus, also "des größtmöglichen Glücks der größten Zahl" ging Bentham davon aus, dass alles menschliche Verhalten von dem Bedürfnis gelenkt wird, Lust zu erleben und Leid zu vermeiden. Seiner Ansicht nach sind wir Menschen von Natur aus Hedonisten und Utilitaristen. Wir verbringen unser ganzes Leben mit dem Versuch, unsere unersättlichen Begierden zu befriedigen. Bloß keinen Schmerz zulassen. Bloß nicht hingucken.
Die Werbebranche nahm Benthams Credo wörtlich und nutzte es, um Generationen dazu zu bringen, die Schätze der Erde in Form von immer neuen Produkten und Dienstleistungen zu vertilgen. Die Entwicklung der Menschen zeigt es uns. Es ist ganz egal, was drin ist, hauptsache es sieht hübsch aus und dient dem Zweck eigene innere, schwarze Löcher zu stopfen, wie eine goldene Gans.
Schon in den 1950er Jahren beschrieb der Wirtschaftswissenschaftler Victor Lebow die Konsumkultur so:
“Unsere enorm produktive Wirtschaft verlangt, dass wir den Konsum zu unserem Lebensstil machen, dass wir den Kauf und Gebrauch von Waren zum Ritual erheben, und dass wir unsere Spiritualität und unser Ego im Konsum befriedigen. Wir sind darauf angewiesen, dass Dinge verbraucht, verbrannt, verschlissen, ersetzt und weggeworfen werden, und zwar immer schneller.”
Niemand behauptet, dass Armut glücklich macht, aber kann ein Übermaß an Konsum nicht auch schädlich sein?
Just als Konsumkultur ihren Höhepunkt erreichte und sich weite Teile der Bevölkerung in Schulden stürzten, aus denen sie sich nie wieder befreien könnten, wurden Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Konsum und Unglück durchgeführt.
Psychologen und Soziologen sowie Anthropologen kamen zu dem Schluss, dass Konsum mit der Drogensucht vergleichbar ist, und dass wir umso unglücklicher werden, je mehr wir konsumieren. Je mehr wir besitzen, umso mehr werden wir von unseren Gegenständen besessen. Je mehr wir von unserem Besitz umgeben sind, umso mehr sind wir in künstlichen Welten gefangen und umso ferner sind wir unserer natürlichen Umwelt.
Das ist umso besorgniserregender, als Wissenschaftler in den vergangenen Jahren herausgefunden haben, dass es bei der Begegnung mit der Natur nicht einfach nur darum geht, draußen unterwegs zu sein oder eine schöne Umgebung zu genießen, sondern, dass Naturerfahrung eine weit größere Bedeutung für uns hat. Unsere ureigenen Körperfunktionen bis hinunter auf die Ebene der Zellen und kognitiven Funktionen hängen eng mit den Rhythmen und Strömen der Natur zusammen, aus der sie kommen und mit der sie noch immer verwoben sind.
Was uns wieder zur Biophilie zurückbringt:
Wir sind uns bis in die tiefsten Fasern unseres Seins des Beistands und der Gefahren der Natur bewusst, handeln jedoch komplett gegensätzlich.
Besonderes, wenn es um Veränderung oder ums Geld geht, werden die Augen geschlossen, Ohren zugehalten und der Mund zugeklebt.
Als Städtler bemerken wir oft nicht, wie sehr unsere Stimmungen, Verhaltensweisen und Körperfunktionen, vor allem aber unser geistiges und körperliches Wohl von unserer Beziehung zur Natur abhängen. Das zeigt sich zum Beispiel am Unterschied zwischen einem Spaziergang in der Stadt oder im Wald.
Während eines Waldspaziergangs sinkt der Anteil des Stresshormones Cortisol im Speichel und der Puls, auch der Blutdruck geht nach unten. Die Aktivität des Parasympathikus - das Gefühl der Entspannung - steigt durch die Bewegung, während die des Sympathikus - das Gefühl von Stress - zurück geht.
Das bewirkt ein einfacher Spaziergang im Wald.
In Japan war der Zusammenhang zwischen Natur und Gesundheit in den 1980er Jahren Gegenstand einer landesweiten Debatte. Die Arbeitnehmer waren zunehmend ausgebrannt vom belastenden und dem engen Stadtleben sowie der unermüdlichen Arbeit. Japan genoss den zweifelhaften Ruf, die erste Rund-um-die-Uhr-Gesellschaft zu sein. Der Hedonismus, also die vorwiegende Suche nach Lustgewinn und Sinnesgenuss, der Japaner wurde zwar reichlich bedient, dafür wurde das Erholungsbedürfnis jedoch vernachlässigt. Etwa zu dieser Zeit kam eine neue Mode auf, das sogenannte Shinrin-yoku oder “Waldbaden” - nichts anderes als ein Waldspaziergang und eine therapeutische Übung zur Wiederherstellung des körperlichen Wohlbefindens.
Die Reaktionen ließen nicht auf sich warten. Die Menschen fühlten sich wie neu geboren. Um zu überprüfen, ob das nicht nur in den Köpfen der Menschen passierte, untersuchten Wissenschaftler das Blut der Probanden nach einem gemächlichen drei bis sechs Kilometer langen Spaziergang und stellten fest, dass ihr Blutzucker sank, während er bei ähnlichen Übungen auf dem Laufband oder im Schwimmbecken um einiges weniger zurück ging. Der Unterschied war die Umgebung - die Biophilie, wie Naturfreunde sagen würden oder nennen wir es einfach "Liebe zum Lebendigen".
Vor einigen Jahren werteten Wissenschaftler Untersuchungen aus verschiedenen Disziplinen aus, um zu ermitteln, welche Auswirkungen eine Naturerfahrung auf unser Wohlbefinden hat. Dabei fanden sie zweifelsfreie Belege “dass Naturverständnis und Naturerleben uns zu glücklicheren und gesunden Menschen machen”.
Bei der detaillierten Auswertung stellten sie fest, dass das Naturerleben starke Auswirkungen auf zehn Dimensionen des Wohlbefindens hat. Gemeinschaft ist daher der 0815-beigebrachten Solidarität entgegen zu setzen.
In diesem Sinne wünscht das FINANZKONTOR SOMMERHOFF einen erholsamen Waldspaziergang, statt Besuche auf dem Weihnachtsmarkt sowie eine magische vorweihnachtliche Zeit voller Vorfreude.
Daniela Sommerhoff
Inhalt aus "Zeitalter der Resilienz"