Heute läutete ich für mich mal wieder eine Lesestunde ein und habe ein paar Passagen verschiedenster Köpfe zusammen getragen:
Beginnen möchte ich mit einem kleinen Auszug in die Geschichte:
Russland und Europa waren in den zurückliegenden fünf Jahrhunderten politisch, ökonomisch und kulturell miteinander verflochten. Im 16. und 17. Jahrhundert stellte Russland über die Wolga und das Kaspische Meer eine wichtige Handelsverbindung zwischen dem Orient und Europa dar. Im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts überstieg der Weizenexport über die Schwarzmeerhäfen denjenigen Rigas und Sankt Petersburgs. Die Ukraine erwies sich hier nicht allein als Kornkammer Russlands, sondern auch Europas.
Von der französischen Revolution 1789 bis hin zum Krimkrieg 1853–1856 kam es zu neuen Komplikationen im Verhältnis zwischen Russland und Europa. Die politische und kulturelle Verflechtung zwischen Russland und Europa war jedoch ungebrochen und wurde der Abgrenzungsdiskus gleichzeitig beidseitig mit unverminderter Stärke fortgeschrieben.
In Russland wurde der interne Streit darüber, wie man sich gegenüber Europa verhielt, nun zu einem dauerhaften Thema des öffentlichen und gelehrten Gesprächs.
Das revolutionäre Europa, seine Nationenbildungen und das damalig geteilte Polen blieben zwischen den Revolutionen von 1789 bis 1848 eine stete Herausforderung für das autokratische Russland. Zugleich kann aber die Geschichte Europas jener Zeit nicht ohne einen Blick auf Russland geschrieben werden.
Als Großmacht war Russland fest in der Pentarchie (Herrschaft von 5 Mächten) der europäischen Mächte verankert. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts nahmen Russlands Verflechtungen mit anderen Regionen der Welt zu. Auf vielen Ebenen war das Zarenreich an der Globalisierung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts beteiligt. Die Transsibirische Eisenbahn sollte Europa und Asien miteinander verbinden und war davon gekennzeichnet den Raum zu beherrschen und die Kommunikation zu verdichten. (Hier saß, so weit ich weiß, auch unser "Merkelchen" drin und bewunderte die Aussicht.)
Sodann im Ersten Weltkrieg gingen gleichermaßen das global dominante Europa und das europäisierte Zarenreich unter.
Ende der Geschichte?
Harvard Ökonom Kenneth Rogoff erwartet heute das Ende der Globalisierung. Er glaubt, dass wir durch Pandemie, Krieg und Lieferkettenprobleme das Ende der Globalisierung erleben – zumindest wie wir sie kannten. "Der Aufstieg Chinas war die größte Geschichte der letzten 40 Jahre", sagt Rogoff im Juni 2022. "Der Niedergang der Globalisierung könnte somit die Geschichte der nächsten 40 Jahre sein." Er warnt vor Instabilität in der Welt: "In Afrika mehren sich Revolutionen und Putsche. Die Entwicklungsländer verlieren gerade 10, 20 Jahre."
Im Jahre 2021 schrieb Martin Deuerlein, akademischer Rat für Zeitgeschichte:
Nachdem Nationalismus und Nationalstaat im Zuge der Globalisierung in den letzten Jahrzehnten immer mehr in den Hintergrund zu treten schienen, schlägt nun das Pendel wieder in die andere Richtung aus: Exportkontrollen für medizinische Güter oder die Schließung von Grenzen haben deutlich gemacht, wie stark Nationalstaaten in die Mobilität von Gütern und Menschen eingreifen können. Eine historische Perspektive zeigt hingegen erstens, dass sich schon seit dem 19. Jahrhundert verschiedene Phasen zunehmender und abnehmender Verflechtung beobachten lassen. Das zeigt sich auch während der letzten beiden Jahrhunderte: So erhielt die globale Interaktion um die Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Industrialisierung einen entscheidenden Schub und wurde gleichzeitig stärker auf Europa ausgerichtet.
Schon Karl Marx und Friedrich Engels beobachteten 1848, die Bourgeoisie (wohlhabendes Bürgertum) jage auf der Suche nach Absatzmärkten „über die ganze Erdkugel“. In den beiden Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg hatten Welthandel und Migrationsbewegungen so stark zugenommen, dass in dieser Zeit eine erste Hochphase der Globalisierung angesetzt wird.
Mit dem Krieg rissen jedoch zahlreiche Verbindungen ab, spätestens mit der Weltwirtschaftskrise 1929 begann eine Phase der Deglobalisierung.
Das Ende der Globalisierung?
Nicht erst mit der Corona-Krise hat sich seitdem gezeigt, dass solche Prognosen der 1990er Jahre falsch oder zumindest stark überzogen waren. Während es anfangs so schien, als handele es sich bei der Globalisierung um einen nahezu unaufhaltsamen Prozess, führte besonders die Weltfinanzkrise 2007/08 die Krisenanfälligkeit der globalen Finanzwirtschaft deutlich vor Augen.
Seitdem wurde immer wieder festgestellt, die Globalisierung habe an Dynamik verloren und befinde sich in einer Krise. Gleichzeitig machten die Rettung von Großbanken mit Steuergeldern und Maßnahmen zur Ankurbelung der Konjunktur deutlich, dass Staaten weiterhin über beträchtliche Möglichkeiten verfügten, in wirtschaftliche und soziale Zusammenhänge zu intervenieren und dass ihr Eingreifen obendrein für die Stabilität der globalen Wirtschaft zentral war.
Auch der amerikanische Hedgefonds-Manager und Multimilliardär Ray Dalio gilt als Experte für Krisen. Dem Westen sagt er im Jahre 2022 düstere Zeiten voraus. "Die USA stehen kurz vor einem Krieg mit China und Russland."
Interessant ist auch ein Auszug eines Artikels aus 2022 vom Autor und Unternehmensberater Daniel Stelter, dieser einen Vergleich zwischen der Coronakrise mit der letzten Rezession, der Weltwirtschafts- und Finanzkrise von 2008/09 stellt.
Auch damals kam es zu einem schnellen und starken Einbruch des Welthandels und der globalen Industrieproduktion. Die Erholung aber dauert sehr viel länger. Erst 24 Monate nach Pleite der Lehman-Brüder Investmentbank, erreichten die beiden Größen das Vorkrisenniveau. Der Grund ist, dass es sich damals um eine Finanzmarktkrise handelte, die eine schmerzhafte Bereinigung von Bilanzen von Banken und Unternehmen erforderte.
Bisher profitierte die deutsche Wirtschaft von einem einmalig guten Umfeld: gesicherter und günstiger Zugang zu Energie und Rohstoffen, global offene Märkte, Nachfrage nach Maschinen und Anlagen zur Industrialisierung und nach Automobilen made in Germany als Statussymbol.
Der Krieg in der Ukraine führt eine Trendwende herbei, die sich seit Jahren abgezeichnet hat. Die Coronakrise und die sich andeutende Spaltung der Welt münden in eine Phase der Deglobalisierung und der Re-Regionalisierung der Produktion.
So rundet der Herr, Olivier Kessler - Ökonom, Publizist und Direktor des Liberalen Instituts in Zürich die Zusammenfassung ab:
Seit Jahrzehnten senken die Notenbanken ihre Leitzinsen bei jedem Anzeichen einer wirtschaftlichen Korrektur. Sie versuchen damit, das Problem der sich von den Konsumentenbedürfnissen entfernenden Produktionsstruktur («Zombifizierung») mit billigem Geld zuzudecken. Dabei wären laufende Anpassungen der Angebotsseite an die sich wandelnden Bedürfnisse der Nachfrager eine zentrale Voraussetzung für eine sich langfristig gesund entwickelnde Wirtschaft.
Aufgrund der immer heftigeren Interventionen in stattfindenden Korrekturphasen konnte sich die zunehmend an den Konsumenten vorbeiproduzierende Wirtschaft in den letzten Jahrzehnten nie vollständig bereinigen. Ein immer grösseres Korrekturpotenzial hat sich aufgestaut. Problematisch ist auch, dass die Leitzinsen jeweils kaum wieder das Vorkrisenniveau erreichten und der Zinstrend langfristig nach unten zeigte, bis er vor einigen Jahren sogar ins Negative fiel – ein Phänomen, das in einer freien Marktwirtschaft denklogisch gar nicht möglich wäre und uns vor Augen führt, wie weit wir mittlerweile schon im planwirtschaftlichen Sumpf stecken.
Zinsen, die von den Zentralbanken immer weiter unter das natürliche Marktniveau heruntermanipuliert werden, haben zur Folge, dass sich die Verschuldung in steigendem Maße lohnt. Nicht nur, weil die Zinskosten der Kreditnehmer sehr niedrig sind, sondern auch, weil unter solchen Bedingungen immer mehr Geld geschöpft wird: Denn Geld entsteht im staatlichen Geldsystem als Kredit, der von der Zentralbank und staatlich lizenzierten Geschäftsbanken ausgegeben wird. Dies drückt den Wert der einzelnen Geldeinheit immer weiter.
Nominell schuldet zwar ein Kreditnehmer noch denselben Betrag wie zum Zeitpunkt der Kreditaufnahme, real jedoch wird die Schuld durch die Inflation zunehmend weggetilgt.
UND WAS HAT DAS NUN ALLES MIT EUROPA UND DEINEM VERMÖGEN ZU TUN?
Daniela Sommerhoff
"Nachdem sie ihr Hausvieh zuerst dumm gemacht haben und sorgfältig verhüteten, dass diese ruhigen Geschöpfe ja keinen Schritt außer dem Gängelwagen, darin sie sie einsperrten, wagen durften, so zeigen sie ihnen nachher die Gefahr, die ihnen drohet, wenn sie es versuchen, alleine zu gehen. Nun ist diese Gefahr zwar eben so groß nicht, denn sie würden durch einige mal Fallen wohl endlich gehen lernen; allein ein Beispiel von der Art macht doch schüchtern und schreckt gemeiniglich von allen ferneren Versuchen ab." Immanuel Kant (1724 – 1804)