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STILLLEBEN.

Was mir in alter Literatur auffällt ist, dass Kinder der Kriegsjahre oft über den Winter schrieben. Ob Familiengeschichten, die Mütter und Väter erzählten, die Zeit ihres Lebens nur Arbeit gekannt und Liebe geschenkt haben, deren Kräfte aufgezehrt waren und sich nach Frieden sehnten oder von frostklirrenden Dezembertagen in Städten, von alten Männern mit Spazierstock und wehendem Schal, die politische Erinnerungen in Literatur festhielten. 

 

Wenn es die Zeit hergibt, versinke ich in diesen Büchern, denn sie lassen für Momente in eine Zeit eintauchen, die wir ganz sicher nicht erlebt haben wollen. Gleichzeitig katapultieren die Geschichten stets in die Herzen der Alten. Sie waren wahrhaft stark. Sie überlebten nicht nur eine Zeit des Krieges, sondern nahmen gleich zwei weitere Generationszyklen der Veränderung mit voller Breitseite in Kauf. Während sich oft genau diese Nach-Generationen zum größten Teil über diese Zwischen-Zyklen grämen und mit dem Finger zeigen, sitzen diese "Alten" heute auf ihrer Wolke, grinsen breit und beobachten das Geschehen von oben. Dieses Bild gefällt mir besonders gut. 

 

Heute, im Jahre 2024, sind wir politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich wieder an einem Punkt, der in kommender Zyklusphase zeigen wird, ob es noch starke Herzen und Rückgrat gibt oder ob diese von Jahr zu Jahr, mehr und mehr verkümmern.

 

Viele Menschen sträuben sich vor Veränderung, noch mehr vor Herausforderungen. Alles muss bequem, einfach und still sein.

Konzentriert wird sich auf das sogenannte "Mindset" im Sinne des Gleichgewichts. Das ist schonmal gut. Das heutige "Mindset" ist allerdings "das ROSA-Wattebäuschlein". Im Rosa-Wattebäuschlein wird von Wachstum gesprochen.

 

Ich stolperte heute morgen in typischer "Leserunde" wieder über zusammengefasste Zeilen eines Artikels der Wirtschaftswoche:

 

"Einst war die EU ein Hoffnungswert für Menschen, ein Symbol für Wachstum und Wohlstand. Doch das ist lange her. Mittlerweile erscheint die EU vielen als eine supranationale Institution, die durch zentralistische Beschlüsse und selbstermächtigende Aneignung von Kompetenzen immer stärker in die Lebensgestaltung der Bürger hinein regiert."

 

Unterhalten wurde sich mit Otmar, dem ehemaligen Chefsvolkswirt der EZB. Themen waren der heutige Zustand der EU, die Gefahr einer neuer Schuldenkrise und über die Rolle der EZB in einer Währungsunion, die anscheinend keine politische Union werden will. Ein Grund für die Krise könnte sein, dass die Menschen sich nach wie vor in erster Linie als Bürger ihres Nationalstaates fühlen. 

 

Was das heißt?

 

Die Menschen verlangen und erhoffen sich die Lösung ihrer Probleme. Obwohl die ökonomische "Einheit" durch den Binnenmarkt Waren, Dienste und Kapital - somit Wohlstand - gebracht hat, scheint man heute mal wieder auf "Gutscheine" zu stehen, statt auf echte Substanz. Der Umwelt zu Liebe beschließen heutige Entscheider sogar Schraubdeckel an Plastikflaschen zu befestigen, statt auf nachhaltige Stärkung von Unternehmen und dienliche Initiativen zu setzen. Der Mensch nimmt es hin und denkt: "Wie schön, ich muss den Deckel nicht mehr suchen!"

 

Meiner Meinung nach ist es an der Zeit, dass sich Menschen entscheiden. Entweder für starke Herzen und Rückgrat oder für Menschen in bequemen Sesseln, die in ihrer Manie des Konsums und in ihrer eigenen Angst vor Veränderung verhaftet, auf die "Früchte des Winters" warten. 

 

"Den Artikel teile ich nicht, denn meine Zusammenfassung genügt. Neben dem Alltag und dem normalen Arbeitstag ist somit wieder mehr Zeit für spannende Bücher der Alten." 

 

Daniela Sommerhoff